Mein Buch: „Bilderreise zu Arno Schmidts »Seelandschaft
mit Pocahontas«“, welches die Grundlage meines
Vortrags auf der 37. Jahrestagung
der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser (GASL) am
5. Oktober 2024 in Salzburg bildete, ist in einer gedruckten
Form erhältlich bei epubli. Dort gibt es auch
alle weiteren Informationen.
Ich gestehe dir, Diogenes, meine Geduld reißt, wenn ich
diese alten abgeschmackten Verleumdungen noch immer von
Männern, denen der Nahme Sokratiker zur Beglaubigung dient,
erneuern, und, auf deren Verantwortung, aus so manchen
schnatternden Gänsehälsen und
gähnenden Eselskinnladen wiederhallen
höre;
(Wieland, Aristipp)
Ich möchte Herrn Kehlmann nicht auf die Füße treten, sondern ich verwende seinen prominenten Namen hier an Stelle aller in diesen Zeiten erfolgreich publizierenden Autoren, denen ich bestes Gelingen, hohe Auflagen, viele Leser und noch mehr Preise, Stipendien und Stadtschreiberposten wünsche. Da aber die Menge der im Laufe eines Lebens zu lesenden Bücher begrenzt ist, fällt naturgemäß immer ein altes, vielleicht lesenswertes Buch weg, wenn ich mich entschließe, ein neu erschienenes zu lesen. Vladimir Nabokov und Arno Schmidt waren sich bezüglich dieser Limitierung einig, wie in so vielem, obwohl sie wohl gegenseitig keine Notiz voneinander genommen haben:
Vladimir Nabokov: „Jeder gute Leser hat sich im Laufe seines Lebens an ein paar guten Büchern ergötzt, warum also einen Genuß analysieren, der beiden wohlbekannt ist?“
Arno Schmidt: „Im Leben kann man höchstens 100 Autoren richtig kennenlernen, mehr Zeit hat man nicht...)“
Bevor ich ein neues Buch lese, überlege ich mir also, ob ich nicht lieber einem alten Buch den Vorzug geben sollte, welches ich möglicherweise nicht läse, läse ich das neue. Diese Überlegung führt meistens zu dem Ergebnis, dass ich das alte Buch lese und das neue nicht. Dass große Literatur plötzlich neuer weichen muss, gefällt mir nicht, und ich fühle mich nach der Lektüre des Wielandschen Aristipp wieder einmal sehr bestärkt, denn...
Bücher wie dieser
gigantische Briefroman vom ‹Aristipp›, die dem Fachmann
reinlich das Stahlskelett der Trägerkonstruktion zeigen, und
gleichzeitig dem Leser eine Fülle intrikatester ziseliertester
Geistigkeiten und schönster Menschlichkeit geben, eine
Bereicherung im wahrsten Sinne der tria corda des Ennius,
gehören in allen Literaturen zu den größten Seltenheiten, und
sollten von jeder Generation immer wieder studiert
werden.
(Arno Schmidt)
(Januar 2025)